Der Ausdruck des Körpers - Körperorientierte Traumapädagogik mit einer geschlechterreflektierenden Handlungsperspektive

Fb_Banner

Begrüßung und Moderation

Der Fachtag wurde eröffnet durch die Begrüßung der Bildungsreferentinnen* der Fachstelle für Mädchen*arbeit und Genderkompetenz Katja Demnitz und Katrin Schröter-Hüttich sowie durch den Leiter des Studienbereichs Jugend der Evangelischen Akademie Meißen Christian Kurzke. Nach ein paar einleitenden Worten zur Entstehung des Fachtages, zum Fokus Bindungsorientierung und beziehungs-orientierter Pädagogik in diesem Jahr, wurde das Programm des Tages noch mal kurz vorgestellt.

 

Der Fachtag begann mit zwei Impulsvorträgen, welche verschiedene Perspektiven zu den Themen psychische Beeinträchtigung/ Trauma – Körperorientierung – Geschlechterreflexion betrachteten.

 

Vorträge

  • Vortrag: Trauma und seine Auswirkungen auf die Selbstregulationsfähigkeit (Dami Charf, Göttingen)

 

Dami Charf legte in ihrem 1. Vortrag die Grundlagen zum Thema Selbstregulation als Vorraussetzung für eine körperorientierte Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe.

Thomas Scheskat setzte in seinem Vortrag einen Schwerpunkt auf die Resilienzfähigkeit der pädagogische Tätigen. Dabei schilderte er auch Erfahrungen körperorientierten Arbeit mit Aggression in der Geschlechterbegegnung.

 

  • Vortrag: Ohnmacht versus konstruktive Aggression – Die Resilienz der Helfenden (Thomas  Scheskat, Göttingen)
IMG-20171207-WA0004
IMG-20171207-WA0002

Nach der Mittagspause folgte ein körperbewegter Einstieg in den 2. Teil des Tages für alle Teilnehmenden. Im Anschluss stellten die Workshopleiter*innen ihre Workshops vor:

 

Workshops

  • Workshop: Selbstregulation und Trauma (Dami Charf, Göttingen)

 

  • Workshop: Aggression entgiften – Ohnmacht und Selbstermächtigung ganz praktisch (Thomas Scheskat, Göttingen)

 

  • Workshop: Traumatisierte Mädchen* und (junge) Frauen* - Möglichkeiten der Stabilisierung und Unterstützung im (sozial)pädagogischen Alltag (Kathrin Bein, Dresden)

 

  • Workshop: Erfahrungen aus der Arbeit mit geflüchteten jungen Menschen (Ina Habt, Dresden)

 

Beispielhaft für die intensive Arbeit in den Workshops soll der Ablauf des 1. Workshops näher vorgestellt werden.

 

Workshop: Selbstregulation und Trauma (Dami Charf, Göttingen)

Einleitung/Übung: Nachbar*in anschauen und gegenseitig überlegen, was die Person als Therapeut*in/ Sozialpädagog*in gut können würde und an welchen Stellen sie Schwierigkeiten hätte

 

Auswertung:

  • Menschen lesen sich sehr gut gegenseitig und orientieren sich daran, d.h. auch Klient*innen und insbesondere Klient*innen mit Traumata sind in der Lage unsere Rollen zu durchschauen, daher ist Authentizität im Kontakt so wichtig!
  • Das Ziel ist ECHTEN Kontakt herzustellen
  • auch körperliche Nähe KANN sinnvoll für einen therapeutischen Prozess sein
  • den Menschen als Gesamtsystem wahrnehmen heißt auch, den Körper wahrnehmen und die Geschichte eines Menschen anhand seines Körpers erkennen

 

Rückfragen zum Vortrag / Entwicklungstrauma:

  • Die prägendsten Jahre sind 0-3, aber auch später können Entwicklungstrauma stattfinden, z.B. sind Menschen sehr verletzlich wenn sie verliebt sind und es kann zu einer Negativüberschreibung durch negative Erfahrungen kommen
  • Eine Positivüberschreibung ist viel schwieriger, weil positive Erfahrungen nicht in das Erwartungsmuster fallen und daher schwerer bewusst wahrnehmbar sind

 

Übung: Bewusstes spüren des*der Nachbar*in, der*die grade sehr nah neben mir sitzt

 

Auswertung:

  • Kontakt ist anstrengend und nervenaufreibend
  • Um gut im WS sein zu können wird die Nähe ausgeblendet
  • Menschen vermeiden oft ECHTEN Kontakt und damit schöne Erfahrungen
  • Weil es verletzlich macht, Angst davor, dass der Mensch mich wirklich sieht und dann nicht mehr mag
  • Weil es weh tut, sehr emotional und traurig sein kann ECHTEN Kontakt zu spüren
  • Menschen haben Impuls wegzurennen, wenn ECHTER Kontakt entsteht und es kann sinnvoll sein die in der Erfahrung festzuhalten
  • Therapeuten/Sozialpädagoginnen sollten in diesen Momenten auch verletzlich sein und der anderen Person Raum geben sich in Beziehung setzen zu können (ansonsten Gefahr der Grenzüberschreitung sehr hoch und der Kontakt bricht ab)

 

Rückfragen zum Vortrag / Autonomie und Selbstwirksamkeit:

  • Autonomie (Idee, niemanden zu brauchen) macht uns krank (Bsp.: Menschen in Gemeinschaften leben länger und sind glücklicher)
  • Jemanden zu brauchen ist noch keine Abhängigkeit, aber auch Abhängigkeit ist Normalität und Autonomie ein Trugschluss
  • Abhängigkeit und Selbstwirksamkeit schließen sich nicht aus
  • Wir sind selbst für uns verantwortlich, aber auch für unsere Umwelt (Bsp.: Menschen können nicht selbst aus einer Depression heraus kommen)
  • Menschen brauchen ECHTEN Kontakt
  • Daniel Siegel: größte Lüge die wir uns selbst erzählen ist, dass wir an der Haut aufhören
  • Körpersysteme gleichen sich im Kontakt an – Gefühle übertragen sich, Herzschläge gleichen sich an

 

Rückfragen zum Vortrag / Kontakt:

  • Kontakt heißt, dass ich dich fühle und du dich gefühlt fühlst
  • ich versuche zu fühlen (somatische Übertragung) → Körperausdruck wahrnehmen, Atmung spüren
  • Ich versuche die Komfortzone meines Gegenübers zu erspüren (wie viel Kontakt ist erwünscht)
  • Ich äußere Vermutung und gleiche meine Wahrnehmung ab
  • Kontakt heißt auch berührt sein
  • Kontakt ist oft mit Schmerz verbunden, weil es dabei auch um alte Verletzungen geht

 

Übung zum Spüren für zuhause: 15min auf die Couch sitzen und nichts tun. Anstatt die Gedanken kreisen zu lassen nur versuchen den Körper zu spüren.

 

Demonstrationsübung: Die Hand der „Klientin*“ wird angefasst, sie* darf zudrücken wie sie es braucht und soll einfach nur spüren

Frage: Was verändert sich im Raum?

 

Auswertung:

  • Der*Die Klient*in bestimmt den Weg, aber der*die Therapeutin* ist dabei, der*die Klient*in ist nicht alleine und so kann Vergangenes gemeinsam aufgearbeitet werden
  • Therapeut*in sollte also authentisch sein und sich selbst reflektiert haben um sich selbst regulieren zu können und nicht die eigenen Bedürfnisse den Klient*innen aufzudrücken, d.h. auch klar die eigenen Grenzen verbalisieren können
  • Bsp.: Borderline Klient*in trifft auf sehr bindungsorientierte*n Therpeut*in, Gefahr ist, dass Therapeut*in über eigene Grenzen geht und z.B. permanent verfügbar sein muss 
  • Schön wäre es nur mit Klient*innen zu arbeiten, mit denen wir prinzipiell auch einen Kaffee trinken gehen würden, Menschen, die wir in unser Leben lassen würden

 

Übung: Es finden sich Paare mit den Rollen Therapeut*in und Klient*in. Anschließend werden gemeinsam Sitzpositionen ausprobiert und erspürt. Was bewirkt Nähe, welche Position hat welche Vor- und Nachteile?

 

Auswertung:

  • Relativ nah, aber nicht frontal – Flucht bleibt möglich
  • Nah und frontal – Fokus wird auf Therapeut*in gelenkt, sollte vermieden werden
  • Wohlfühlzone ist sehr weit entfernt – es kann nicht mehr gut gearbeitet werden
  • Der Arbeitsbereich sollte da liegen wo Klient*in Therapeut*in nicht ignorieren kann, aber auch nicht panisch werden muss (zwischen Komfort- und Lernzone)
  • Augenkontakt kann für Menschen mit Traumata sehr schwierig sein, weil er das Erregungsniveau erhöht
  • Erhöhter Augenkontakt kann aber auch bedeuten, dass der*die Klient*in den*die Terapeut*in kontrollieren will
  • Parasympathischer Shift = von hochsympathisch zu parasympathisch
  • Wenn die Bindung steht sind auch Fehler ok, wichtig ist es auf die Körpersprache und Grenzen meines Gegenübers zu achten und bei Unsicherheit ggf. nachzufragen – wenn die Bindungsmuster sich widersprechen sollten beide Parteien daran arbeiten und sich aufeinander zu bewegen
  • Bindungsmuster sind jedoch sehr festgeschrieben und werden sich nicht komplett verändern lassen
IMG-20171207-WA0003

Rückfragen zum Vortrag/ Trauma und Orientierung:

  • Ein Trauma ist im heute aktualisierte Vergangenheit
  • Bsp.: Missbrauch im Schlaf – Entspannungszustände im heute sind gekoppelt mit traumatischer Erfahrung in der Vergangenheit
  • Was fehlt ist Orientierung!
  • Orientierungsreflex bei Geräusch im Wald: Nach dem Schreckreflex (zusammenzucken) folgt der Orientierungsreflex (Körper richtet sich auf und der ganze Körper orientiert sich auf das Geräusch)
  • Traumatischer Reflex/Erstarrung: nach dem Schreckreflex folgt eine Erstarrung des Körpers (Kampf- oder Fluchtreflexe stehen hier nicht mehr zur Verfügung)

 

Übung: Sich den Raum genau anschauen und den Körper mit dazu bewegen (z.B. drehen) um sich im Raum genau zu orientieren und anzukommen

 

Auswertung:

  • Übung kann zur Entspannung führen, weil wir im Jetzt ankommen und die Vergangenheit ruhen lassen können = wir bestimmen wo unsere ACHTSAMKEIT hingeht
  • Oft nehmen wir uns bekannte Umgebung und uns nahe Menschen gar nicht mehr richtig wahr

 

Abschluss:

Es geht nicht um Schuld, sondern darum Verantwortung zu übernehmen für unser Handeln und dafür wie wir mit anderen Menschen umgehen. Politisch geht es nicht darum Menschen zu Glück und Freude zu verhelfen, sondern ihre Funktionalität zu sichern (wer arbeitet hat Wert). Dabei ist das Grundbedürfnis eines jeden Menschen Sicherheit und so ist es nicht verwunderlich, dass AfD Wähler*innen ihre Probleme nach außen externalisieren um sich Sicherheit zu verschaffen.

 

Abschluss

Nach der Workshopphase wurden Ergebnisse zusammengetragen und zum Abschluss des Fachtages Musik aufgelegt und so beendeten die Teilnehmenden körperbewegt und z.T. tanzend den intensiven Fachtaustausch.